Rezension: Staatliche Kindeswohlgefährdung?

Körner, Wilhelm; Hörmann, Georg (Hrsg.) 2019

Beltz-Juventa, 1. Aufl. Weinheim 2019

Das Wichtigste vorweg: Die Lektüre des Buches „Staatliche Kindeswohlgefährdung?“ ist gerade jetzt, wo eine umfangreiche Reform des Familien- und ggf. des Kinderrechts ansteht, aktueller und notwendiger denn je.

Das Werk der Herausgeber Prof. Hörmann und Dr. Körner  ist als eine Antithese zu verstehen, die nach einer Synthese strebt. Lautet die These, dass das Familien- und Kinderrechtssystem einwandfrei funktioniert, da es die Kinder und Familien schützt, die damit in Berührungkommen, so zeigen die Autoren, dass dies leider nicht immer der Fall ist. Es kann bspw. durch staatliche Interventionen gelegentlich zu sekundären Kindeswohlgefährdungen kommen.

Somit wäre eine gemeinsame Erarbeitung einer Synthese das Ziel der Autoren und dies hoffentlich auch die Aufgabe, die die aufmerksamen Leser/innenals Folge angehen sollten.

„Staatliche Kindeswohlgefährdung?“ soll wie ein Weckruf wirken. Einiges, sehr viel sogar, wurde für unsere Kinder richtig getan,aber es gibt noch reichlich zu tun. Eile hilft wenig, Untätigkeit dennoch umso weniger. Prominente Autorinnen und Autoren begründen mit wissenschaftlicher Genauigkeit, wie die Lage ist bzw. wo Nachholbedarf besteht. Dazu wird berichtet, was nicht funktioniert hat.

Deswegen sollen die Professionellen die Hauptzielgruppe dieses Buches sein, welche im Familienhelfersystem tätig sind und ihre Arbeit (familien- und) kinderfreundlicher gestalten möchten. Eine persönliche Anregung, die sich mit den dargestellten Erkenntnissen deckt, wäre nach meiner Erfahrung, dass diese Professionellen das System, das sie vertreten, möglichst so gestalten, wie sie es vorfinden möchten, wenn sie selber Betroffene wären.

Ebenfalls wäre die Politik ein Hauptadressat dieses Werkes,denn sie besitzt die notwendige zeitliche Perspektivesowie die erforderliche Gestaltungsmacht, um Korrekturen vorzunehmen. Jedes System birgt ein Optimierungspotenzial in sich, das die Gesellschaftsvertreter/innen dazu verleiten soll, es zu entfalten und zu erschöpfen. Der Augenblick ist angesichts der aktuellen Entwicklungen im Bundestag besonders günstig. Das Thema (Familien und-) Kinderschutz ist wieder aktuell geworden.

Die thematische Einteilung der Autorenbeiträge (Grundfragen, Probleme/Innovationen, Folgen staatlichen Handelns) ist sinnvoll und schlüssig. Die Einteilung entspricht dem Schema: Darstellung des allgemeinen Status-quo, Zukunftsvision und Vorstellung von konkreten (insbesondere misslungenen) Situationen.

Letztere sind als Zustände zu erkennen, die möglichst zu vermeiden sind: das Optimierungspotenzial des Systems, das sich nicht damit zufrieden geben kann, dass es leider in jedem System Missstände gibt– sozusagen als Kollateralschaden. Sie sollen – zumindest als Gebot der Menschenwürde – nach Möglichkeit nicht zustande kommen.

Der allgemeine Status-quo ist der Kontext, in dem diese Missstände entstanden sind, die Zukunftsvisionen würden das Ziel darstellen, das anzustreben ist, damit sie vorgebeugt werden können.

Der Schlüssel, den es zu finden gibt, liegt in der Ursachensuche. Es soll erklärt und verstanden werden, wie die genannten Missstände im gegebenen Status-quo zustande gekommen sind. Dann kann man Maßnahmen ergreifen, die entgegenwirken können. Und so sind wir durch die Ursachensuche auf dem Weg zur Synthese.

Mit Sicherheit haben die Autoren keine andere Absicht oder Vision gemeinsam, als die Verwirklichung eines Systems, das in der Lage ist, Kinder und Familien den bestmöglichen Rahmen zu ihrem Schutz und ihrer Entfaltung zu bieten.

Bei der Ursachensuche muss die Komplexität des Kontextes sachlich und unvoreingenommen konfrontiert werden, sonst ist das Risiko hoch, dass die Maßnahmen in Bezug auf die Vision ineffektiv, wenn nicht gerade kontraproduktiv sind.

Angeregt von den Autoren lässt sich erahnen, dass die Ursachen der aktuellen Situation multidisziplinär und multidimensional sind. Es wird keine zielführende Entwicklung möglich sein, wenn man nicht darauf achtet, und wenn man nicht bereit ist, an einer vielfältigen Justierung auf mehreren Ebenen zu arbeiten. Die Idee, an einer einzigen Schraube drehen bzw. den einen Hebel tätigen zu können, so dass danach alles einwandfrei funktioniert, muss in dem Fall verworfen werden.

Auf die Wechselwirkungen muss geachtet werden. Die besten Absichten könnten ungewollt zu gegensätzlichen Auswirkungen führen. Dies ist sogar im Werk selbst zu erkennen.Einige Autor/innen meinen, man sollte den Kindern den maximalen Schutz ermöglichen, sogar Grundrechte speziell für Kinder einführen. Wächter darüber kann aber nur der Staat und seine Behörden und Beamten sein. So müssen diese mit einer entsprechenden zusätzlichen Machtposition ausgestattet werden – damit Staatsdiener in Notsituationen prompt und wirkungsvoll  agieren können. Macht und Verantwortung gehören zusammen, können aber unter Umständen missbraucht werden. Je höher die Macht bzw. je mehr Menschen es gibt, die mit der Macht ausgestattet werden, desto höher ist das Potenzial eines Machtmissbrauchs bzw. desto schwerwiegender können dessenKonsequenzen sein.

Einige der Missstände, welche „Staatliche Kindeswohlgefährdung?“ beschreibt, sind im beschriebenen Spannungsfeld zu verstehen. Man möchte den Kindern den maximalen Schutz bieten, das Ergebnis kann aber unter Umständen sein, dass einige Kinder auf einer anderen Ebene dadurch gefährdet werden.

Mit staatlicher Kindeswohlgefährdung ist die Gefährdung von Kindern gemeint, die nicht von den Erwachsenen ausgeht, die sich normalerweise um die Kinder kümmern sollen (bspw. Eltern oder Familienangehörige). Sie wäre ein Teil der sogenannten sekundären Kindeswohlgefährdung.

Offensichtlich klingt dies wie ein Widerspruch: Der Staat und seine Diener werden mit einer besonderen Macht ausgestattet, gerade um Kinder zu beschützen. Dann soll von ihnen eine Kindeswohlgefährdung ausgehen können? Es ist sicherlich denkbar – und bequem  –, diese Realität zu verneinen und in der Illusion zu leben, der Staat funktionierte einwandfrei, bzw. diese Möglichkeit auszuschließen.  Der Realität dennoch nicht ins Auge zu blicken, tut keinem einen Gefallen – insbesondere, wenn Kinderschutz unser gemeinsames Ziel ist.

Den Nutzen dieses Werkes hinsichtlich kinderschützender Synthesen, möchte ich mit einem Beispiel verdeutlichen. Eine Lage soll in ihrer Vielfältigkeit und Komplexität, auf Wechselwirkungen achtend, erklärt werden. Hat man sie ursächlich verstanden, so können die aufgetretenen Probleme wirksam gelöst werden, damit das Familienhelfersystem noch besser für unsere Kinder arbeiten kann.

Im Status-quo des Werkes wird bspw. Folgendes beschrieben:

– Der Staat ist zum Schutze der Kinder zu einer stärkeren Machtposition gekommen, sowie zu mehr Personal und Ressourcen – insbesondere durch die Reformen in den Jahren 2008 und 2012. So kam es bspw. zu mehr Inobhutnahmen denn je – fast eine Verdoppelung (1995-2016)

– Es wird festgestellt, dass die möglichen Ursachen von Inobhutnahmen (die unterschiedlichen Formen von Gewalt auf Kinder)in diser Zeitspanne nicht signifikant gestiegen sind;

– Es ist bei den Jugendämtern Personalmangel festzustellen. Die Bezahlung sei häufig nicht mehr als reizvoll empfunden. Deswegen würden einige junge Mitarbeiter/innen das Jugendamt nicht selten als Zwischenschritt in der eigenen Karriere betrachten;

– Mitarbeiter/innen der Jugendämter stehen zunehmend unter dem Druck der Öffentlichkeit, wenn Kinder missbraucht bzw. getötet werden;

– Es kommt de facto durch eine Verflechtung von gegenseitigen Abhängigkeiten zu einer engen Zusammenarbeit – somit auch zu einer Anpassung – zwischen den Professionellen am Familiengericht.

– Heimerziehungen bringen den Kindern in der Regel Sicherheit (insbesondere körperliche Unversehrtheit) und bewahren sie vor Verwahrlosung. In den Heimen werden ihre Grundbedürfnisse zuverlässig gedeckt. Allerdings bringen diese Maßnahmen auch Risiken für die Kinder mit: entscheidende Nachteile durch Entwurzelung und durch wechselnde Zuständigkeiten, Bezugspersonen undBezugsorte, etc. In der Tat wachsen Heimkinder häufig mit einem gespaltenen (gar instabilen) Gefühl auf.

Wir können vermuten, dass der gerechtfertigte Druck der Öffentlichkeit für einen besseren Schutz unserer Kinder – insbesondere wenn konkrete Kinder in einem Zuständigkeitsbereich Opfer von Gewalt wurden – nicht wirkungslos für die Arbeit der Mitarbeiter beim ASD sein wird. Man kann sich vorstellen, dass Schlagzeilen à la: „Warum tat das Jugendamt nichts?“, die konkreten Mitarbeiter/innen des Jugendamts ins Rampenlicht bringen, die zur Folge haben sollen, Gewaltrisiken für Kinder in Zukunftsfällen zu minimieren. Ein Eingriff des Jugendamts würde dann vorsichtshalber früher vorgenommen werden. Mit Gewalt ist insbesondere physische Gewalt gemeint, da in den Fällen Ursache und Wirkung relativ deutlich festzustellen sind – und somit die konkreten Zuständigkeiten der Jugendamtsmitarbeiter.

Das Risiko ist dann, dass der Fokus auf die körperliche Gewalt am Kind gelegt wird und weniger auf seelische/psychische Schäden – wo Ursache und Wirkung viel weniger eindeutig sind.

Dabei können diese Schäden u.U. ungleich bedeutsamer sein.

So stehen die Chancen hoch, dass es bei Körpergewalt, anders als bei seelischer/psychischer Gewalt allein, zu einer Inobhutnahme der Kinder kommt.

Seelische/psychische Gewalt erscheinen nicht ganz im Fokus zu stehen. In der Tat gibt es meines Erachtens bei der bewussten Eltern-Kind-Entfremdung einen klaren Fall von seelischer/psychischer Gewalt an Kindern, die aber in der Regel von einem Sorgeberechtigten über das Kind gegen einen anderen Sorgeberechtigten ausgeht, keine Handlungsprotokolle beim ASD – also, keine Handlung ist dann vom ASD in dem Sinne zu erwarten.

Dennoch müssten Inobhutnahmen in jedem Fall eine strenge Prüfung nach dem Verhältnismäßigkeitsansatz(Geeignetheit, Erforderlichkeit, Angemessenheit) bestehen und alle Faktoren, die eine direkte Wirkung auf das Kindeswohl haben, müssten berücksichtigt werden.

Die erwähnte Interaktion erklärt, dass der vermehrte Schutz durch die Inobhutnahme von Kindern, beeinflusst auch durch die Medien, zu einer anderen Gefährdung einiger unserer Kinder führte.

Nun wäre Zeit zum Nachdenken. Was lernen wir daraus? Und wie können wir unter allen Umständen den Schutz unserer Kinder gewährleisten?

Deshalb darf „Staatliche Kindeswohlgefährdung?“ beachtliche Aufmerksamkeitgewidmet werden, wenn wir es ernst meinen mit dem Kindesschutz. Jede/r wird etwas dazu lernen. Das ist unsere gemeinsame Verantwortung. Für unsere Kinder.

Rezension: Staatliche Kindeswohlgefährdung?

Körner, Wilhelm; Hörmann, Georg (Hrsg.) 2019

Beltz-Juventa, 1. Aufl. Weinheim 2019

Das Wichtigste vorweg: Die Lektüre des Buches „Staatliche Kindeswohlgefährdung?“ ist gerade jetzt, wo eine umfangreiche Reform des Familien- und ggf. des Kinderrechts ansteht, aktueller und notwendiger denn je.

Das Werk der Herausgeber Prof. Hörmann und Dr. Körner  ist als eine Antithese zu verstehen, die nach einer Synthese strebt. Lautet die These, dass das Familien- und Kinderrechtssystem einwandfrei funktioniert, da es die Kinder und Familien schützt, die damit in Berührungkommen, so zeigen die Autoren, dass dies leider nicht immer der Fall ist. Es kann bspw. durch staatliche Interventionen gelegentlich zu sekundären Kindeswohlgefährdungen kommen.

Somit wäre eine gemeinsame Erarbeitung einer Synthese das Ziel der Autoren und dies hoffentlich auch die Aufgabe, die die aufmerksamen Leser/innenals Folge angehen sollten.

„Staatliche Kindeswohlgefährdung?“ soll wie ein Weckruf wirken. Einiges, sehr viel sogar, wurde für unsere Kinder richtig getan,aber es gibt noch reichlich zu tun. Eile hilft wenig, Untätigkeit dennoch umso weniger. Prominente Autorinnen und Autoren begründen mit wissenschaftlicher Genauigkeit, wie die Lage ist bzw. wo Nachholbedarf besteht. Dazu wird berichtet, was nicht funktioniert hat.

Deswegen sollen die Professionellen die Hauptzielgruppe dieses Buches sein, welche im Familienhelfersystem tätig sind und ihre Arbeit (familien- und) kinderfreundlicher gestalten möchten. Eine persönliche Anregung, die sich mit den dargestellten Erkenntnissen deckt, wäre nach meiner Erfahrung, dass diese Professionellen das System, das sie vertreten, möglichst so gestalten, wie sie es vorfinden möchten, wenn sie selber Betroffene wären.

Ebenfalls wäre die Politik ein Hauptadressat dieses Werkes,denn sie besitzt die notwendige zeitliche Perspektivesowie die erforderliche Gestaltungsmacht, um Korrekturen vorzunehmen. Jedes System birgt ein Optimierungspotenzial in sich, das die Gesellschaftsvertreter/innen dazu verleiten soll, es zu entfalten und zu erschöpfen. Der Augenblick ist angesichts der aktuellen Entwicklungen im Bundestag besonders günstig. Das Thema (Familien und-) Kinderschutz ist wieder aktuell geworden.

Die thematische Einteilung der Autorenbeiträge (Grundfragen, Probleme/Innovationen, Folgen staatlichen Handelns) ist sinnvoll und schlüssig. Die Einteilung entspricht dem Schema: Darstellung des allgemeinen Status-quo, Zukunftsvision und Vorstellung von konkreten (insbesondere misslungenen) Situationen.

Letztere sind als Zustände zu erkennen, die möglichst zu vermeiden sind: das Optimierungspotenzial des Systems, das sich nicht damit zufrieden geben kann, dass es leider in jedem System Missstände gibt– sozusagen als Kollateralschaden. Sie sollen – zumindest als Gebot der Menschenwürde – nach Möglichkeit nicht zustande kommen.

Der allgemeine Status-quo ist der Kontext, in dem diese Missstände entstanden sind, die Zukunftsvisionen würden das Ziel darstellen, das anzustreben ist, damit sie vorgebeugt werden können.

Der Schlüssel, den es zu finden gibt, liegt in der Ursachensuche. Es soll erklärt und verstanden werden, wie die genannten Missstände im gegebenen Status-quo zustande gekommen sind. Dann kann man Maßnahmen ergreifen, die entgegenwirken können. Und so sind wir durch die Ursachensuche auf dem Weg zur Synthese.

Mit Sicherheit haben die Autoren keine andere Absicht oder Vision gemeinsam, als die Verwirklichung eines Systems, das in der Lage ist, Kinder und Familien den bestmöglichen Rahmen zu ihrem Schutz und ihrer Entfaltung zu bieten.

Bei der Ursachensuche muss die Komplexität des Kontextes sachlich und unvoreingenommen konfrontiert werden, sonst ist das Risiko hoch, dass die Maßnahmen in Bezug auf die Vision ineffektiv, wenn nicht gerade kontraproduktiv sind.

Angeregt von den Autoren lässt sich erahnen, dass die Ursachen der aktuellen Situation multidisziplinär und multidimensional sind. Es wird keine zielführende Entwicklung möglich sein, wenn man nicht darauf achtet, und wenn man nicht bereit ist, an einer vielfältigen Justierung auf mehreren Ebenen zu arbeiten. Die Idee, an einer einzigen Schraube drehen bzw. den einen Hebel tätigen zu können, so dass danach alles einwandfrei funktioniert, muss in dem Fall verworfen werden.

Auf die Wechselwirkungen muss geachtet werden. Die besten Absichten könnten ungewollt zu gegensätzlichen Auswirkungen führen. Dies ist sogar im Werk selbst zu erkennen.Einige Autor/innen meinen, man sollte den Kindern den maximalen Schutz ermöglichen, sogar Grundrechte speziell für Kinder einführen. Wächter darüber kann aber nur der Staat und seine Behörden und Beamten sein. So müssen diese mit einer entsprechenden zusätzlichen Machtposition ausgestattet werden – damit Staatsdiener in Notsituationen prompt und wirkungsvoll  agieren können. Macht und Verantwortung gehören zusammen, können aber unter Umständen missbraucht werden. Je höher die Macht bzw. je mehr Menschen es gibt, die mit der Macht ausgestattet werden, desto höher ist das Potenzial eines Machtmissbrauchs bzw. desto schwerwiegender können dessenKonsequenzen sein.

Einige der Missstände, welche „Staatliche Kindeswohlgefährdung?“ beschreibt, sind im beschriebenen Spannungsfeld zu verstehen. Man möchte den Kindern den maximalen Schutz bieten, das Ergebnis kann aber unter Umständen sein, dass einige Kinder auf einer anderen Ebene dadurch gefährdet werden.

Mit staatlicher Kindeswohlgefährdung ist die Gefährdung von Kindern gemeint, die nicht von den Erwachsenen ausgeht, die sich normalerweise um die Kinder kümmern sollen (bspw. Eltern oder Familienangehörige). Sie wäre ein Teil der sogenannten sekundären Kindeswohlgefährdung.

Offensichtlich klingt dies wie ein Widerspruch: Der Staat und seine Diener werden mit einer besonderen Macht ausgestattet, gerade um Kinder zu beschützen. Dann soll von ihnen eine Kindeswohlgefährdung ausgehen können? Es ist sicherlich denkbar – und bequem  –, diese Realität zu verneinen und in der Illusion zu leben, der Staat funktionierte einwandfrei, bzw. diese Möglichkeit auszuschließen.  Der Realität dennoch nicht ins Auge zu blicken, tut keinem einen Gefallen – insbesondere, wenn Kinderschutz unser gemeinsames Ziel ist.

Den Nutzen dieses Werkes hinsichtlich kinderschützender Synthesen, möchte ich mit einem Beispiel verdeutlichen. Eine Lage soll in ihrer Vielfältigkeit und Komplexität, auf Wechselwirkungen achtend, erklärt werden. Hat man sie ursächlich verstanden, so können die aufgetretenen Probleme wirksam gelöst werden, damit das Familienhelfersystem noch besser für unsere Kinder arbeiten kann.

Im Status-quo des Werkes wird bspw. Folgendes beschrieben:

– Der Staat ist zum Schutze der Kinder zu einer stärkeren Machtposition gekommen, sowie zu mehr Personal und Ressourcen – insbesondere durch die Reformen in den Jahren 2008 und 2012. So kam es bspw. zu mehr Inobhutnahmen denn je – fast eine Verdoppelung (1995-2016)

– Es wird festgestellt, dass die möglichen Ursachen von Inobhutnahmen (die unterschiedlichen Formen von Gewalt auf Kinder)in diser Zeitspanne nicht signifikant gestiegen sind;

– Es ist bei den Jugendämtern Personalmangel festzustellen. Die Bezahlung sei häufig nicht mehr als reizvoll empfunden. Deswegen würden einige junge Mitarbeiter/innen das Jugendamt nicht selten als Zwischenschritt in der eigenen Karriere betrachten;

– Mitarbeiter/innen der Jugendämter stehen zunehmend unter dem Druck der Öffentlichkeit, wenn Kinder missbraucht bzw. getötet werden;

– Es kommt de facto durch eine Verflechtung von gegenseitigen Abhängigkeiten zu einer engen Zusammenarbeit – somit auch zu einer Anpassung – zwischen den Professionellen am Familiengericht.

– Heimerziehungen bringen den Kindern in der Regel Sicherheit (insbesondere körperliche Unversehrtheit) und bewahren sie vor Verwahrlosung. In den Heimen werden ihre Grundbedürfnisse zuverlässig gedeckt. Allerdings bringen diese Maßnahmen auch Risiken für die Kinder mit: entscheidende Nachteile durch Entwurzelung und durch wechselnde Zuständigkeiten, Bezugspersonen undBezugsorte, etc. In der Tat wachsen Heimkinder häufig mit einem gespaltenen (gar instabilen) Gefühl auf.

Wir können vermuten, dass der gerechtfertigte Druck der Öffentlichkeit für einen besseren Schutz unserer Kinder – insbesondere wenn konkrete Kinder in einem Zuständigkeitsbereich Opfer von Gewalt wurden – nicht wirkungslos für die Arbeit der Mitarbeiter beim ASD sein wird. Man kann sich vorstellen, dass Schlagzeilen à la: „Warum tat das Jugendamt nichts?“, die konkreten Mitarbeiter/innen des Jugendamts ins Rampenlicht bringen, die zur Folge haben sollen, Gewaltrisiken für Kinder in Zukunftsfällen zu minimieren. Ein Eingriff des Jugendamts würde dann vorsichtshalber früher vorgenommen werden. Mit Gewalt ist insbesondere physische Gewalt gemeint, da in den Fällen Ursache und Wirkung relativ deutlich festzustellen sind – und somit die konkreten Zuständigkeiten der Jugendamtsmitarbeiter.

Das Risiko ist dann, dass der Fokus auf die körperliche Gewalt am Kind gelegt wird und weniger auf seelische/psychische Schäden – wo Ursache und Wirkung viel weniger eindeutig sind.

Dabei können diese Schäden u.U. ungleich bedeutsamer sein.

So stehen die Chancen hoch, dass es bei Körpergewalt, anders als bei seelischer/psychischer Gewalt allein, zu einer Inobhutnahme der Kinder kommt.

Seelische/psychische Gewalt erscheinen nicht ganz im Fokus zu stehen. In der Tat gibt es meines Erachtens bei der bewussten Eltern-Kind-Entfremdung einen klaren Fall von seelischer/psychischer Gewalt an Kindern, die aber in der Regel von einem Sorgeberechtigten über das Kind gegen einen anderen Sorgeberechtigten ausgeht, keine Handlungsprotokolle beim ASD – also, keine Handlung ist dann vom ASD in dem Sinne zu erwarten.

Dennoch müssten Inobhutnahmen in jedem Fall eine strenge Prüfung nach dem Verhältnismäßigkeitsansatz(Geeignetheit, Erforderlichkeit, Angemessenheit) bestehen und alle Faktoren, die eine direkte Wirkung auf das Kindeswohl haben, müssten berücksichtigt werden.

Die erwähnte Interaktion erklärt, dass der vermehrte Schutz durch die Inobhutnahme von Kindern, beeinflusst auch durch die Medien, zu einer anderen Gefährdung einiger unserer Kinder führte.

Nun wäre Zeit zum Nachdenken. Was lernen wir daraus? Und wie können wir unter allen Umständen den Schutz unserer Kinder gewährleisten?

Deshalb darf „Staatliche Kindeswohlgefährdung?“ beachtliche Aufmerksamkeitgewidmet werden, wenn wir es ernst meinen mit dem Kindesschutz. Jede/r wird etwas dazu lernen. Das ist unsere gemeinsame Verantwortung. Für unsere Kinder.